Ausstellung wienachauckland

wienachauckland (26.11.2015 – 4.3.2016)

Ilse Aichinger, die Autorin unspektakulärer Untergänge hat schon einmal über das Verhalten auf sinkenden Schiffen berichtet und vom Niederreißen der Stacheldrahtzäune. Das Ilse-Aichinger-Haus dagegen lässt Mauern gar nicht erst aufkommen. Galerien stellen nur Vorwände dar und auf Säulen ist schon lange kein Verlass mehr. Stattdessen wird der Bau von Querbalken gestützt. Sein Fundament besteht auf unglaubwürdige Risse. Manche Ausstellungen führen nirgendwohin. Wiennachauckland soll dazu bringen, stehen zu bleiben. Sie zeigt auf die andere Seite der Welt, wo Antipoden zu finden sind und manchmal die Kopffüßler von Kinderzeichnungen. Neuseeland ist längst kein weißer Fleck auf einer Karte oder einem Sessel mehr, keine gezuckerte Milch wurde verschüttet, nichts scheint zu bedenken. Trotzdem kämpft der Missionar damit, seine Geschichte von Anfang bis zum Ende zu erzählen. Ihm hilft noch die Erinnerung, er selbst hilft sich mit Weitschweifigkeit aus. Trotzdem verliert er kein Wort über Maorieköpfe im Weltmuseum. Der Matrose aus Quentin dagegen ist heiter und ihm hilft seine Heiterkeit, ohne dass er weiß wo er ist und wie es weitegeht. Die Erde braucht kein Gegengewicht mehr um sich erklären zu können, keine Landmasse ist mehr vorausgesetzt. Je weniger Idylle desto besser. Und so lassen Orte keine Orientierungen mehr zu und überschneiden sich an mehr als einer Stelle. Friseure lassen in diesem Fall an Dauerwellen und Wellenreiten denken, an verbrannte Haare und Weihnachtsengel. Wer den Moritzplatz kennt, fürchtet sich nicht mehr vor Basilisken und Grießnockerlsuppen aus Tankstellen spenden Trost. Der Matrosen aus Frisco ist in seiner Flüchtigkeit auf Friseure angewiesen obwohl es keine Garantie mehr gibt. Niemand kann ihm seine eigene Geschichte mehr versichern, ihm hilft nur mehr wenig. Zweifel haben sich eingeschlichen, nicht nur an Balkon und seine Erzählung bekommt auch durch Wiederholung keine Glaubwürdigkeit mehr. Auch wenn es immer die gleichen Wege sind kann von Reisen ausgegangen werden, aber mit kleinen vorsichtigen Schritten und mit einem Hinschauen, das Vorher noch nicht da war. Auckland taucht jetzt an unerwarteten Stellen auf, auch ohne Zwischenrufer. Schon lange kann keine Unterscheidung mehr getroffen werden und der Bericht selbst beginnt das Ereignis auszulöschen. Das Meer überflutet alle Längen und Breitengrade und lässt die Schiffsfahrtlinien verlöschen. Wie Fische, leicht zu töten aber schwer aus der Bahn zu bringen nimmt sich Wiennachauckland zurück. Mit zusammengerollter Flagge kann kein Land beansprucht werden, kein Platz und keine Straße. Die Ausstellung bleibt am Rande, die Fragen können weder beantwortet noch gestellt werden. Auckland bleibt außer Reichweite. Ebenso wie Wien.

Das Ilse Aichinger Haus präsentiert in seiner Herbstausstellung wienachauckland? über zwei Etagen herausragende Exponate zum Werk der österreichischen Autorin Ilse Aichinger. In diesem Jahr wird das Hörspiel „Auckland“ und dessen literarische Topographie mit Werken aus Malerei, Fotografie und der Konzeptkunst, insbesondere der artistic research, entfaltet.

 

Die Ausstellung wienachauckland? lädt ihre BesucherInnen ein, die Routen und Verbindungslinien von Wien nach Auckland zu erkunden. Ausgangspunkt der Reise, die sich in Nähen und Fernen verliert, bildet das Hörspiel Auckland (1969) der Wiener Autorin Ilse Aichinger. Auckland ist nahezu genau die geographische Antipode Wiens. Die überraschende Beziehung zwischen den Orten, die eine maximale Distanz in eine spezifische Nähe wendet und damit die Identität der Orte neu schöpft und verunsichert, steht im Mittelpunkt der intermedialen Ausstellung wienachauckland. Auf einer Vielzahl medialer Kanäle werden die Wege nach Auckland gesucht. Der zwischen Mikro- und Makroskopie schwankende Fokus auf den Hörspieltext führt zu produktiven Distortationen. Der Klang einer Stimme, im nebeneinander brechen sie wellenartig, prägt jeweils Form und Inhalt der ihnen gewidmeten Räume. Die Struktur des Hörspiels wird zu derjenigen der Ausstellung:

Der erste Raum resonniert mit dem Missionar und seinen Versuchen ein Erlebnis von Anfang bis Ende zu erzählen, selbst wenn es bedeutet, weitschweifig zu werden und sich im räsonnieren zu verlieren. Neben Informationen zu historischen Kontexten finden Sie in diesem Raum seltene Exponate, wie ein Originalmanuskript der vermutlich ersten, nur handschriftlich überlieferten Übersetzung des Hörspiels Auckland durch Joseph Conrad von 1869 mit dem Arbeitstitel Heart of Darkness —  heute eine weniger gängige Bezeichnung Wiens.

Im zweiten Raum hört man die Stimme des Matrosen aus Quentin, der die eigene Orientierungslosigkeit in seiner brüchigen Erzählung mit Heiterkeit überspielt. Die akustische Rauminstallation geht einher mit der Exposition visueller Arbeiten. In der Vielzahl künstlerischer Annäherungen ist besonders die Fotoserie von Karl Mags hervorzuheben: Das geheimnisvolle Lächeln des „Fräulein Kafka“, in Printmedien oftmals reproduziert, wird bei Mags zum Ausgangspunkt einer Untersuchung der Autorität und Authentizität mimischer und mimetischer Produktion. Zur Frage steht laut Mags nicht weniger, als das Aufscheinen der überspielten Antipode durch Transparenzeffekte.

Im Raum zum Matrosen aus Frisco dreht sich alles schließlich um die Einsätze des Erzählens und ihre Flüchtigkeit. Die Ausstellung versucht den Blick auf die kulturellen Mechanismen hinter den besagten Einsätzen zu lenken: Was bedarf es, um die eigenen Erlebnisse zu behaupten? Wie kann ich für mich selbst bürgen? Wer oder was bietet die Garantie, dass es so war, wie ich es erlebte? Das Aufrollen einer Flagge, das Umherirren auf hoher See, Verfolgung und Gewalt? Die Frage nach dem Einsatz des Erzählens wird in Auckland nicht wie allzu oftmit der Erwartung auf Rechtfertigungen an ein Gegenüber gestellt , sondern ans eigene Ich.

Die weiteren Stimmen des Hörspiels, Vau und We, der Friseur Jose, die Frau oder das Kind unterbrechen und kommentieren die jeweiligen Versuche ein zusammenhängendes und dennoch eigenes Narrativ zu konstruieren – Wir freuen uns auf Ihren Besuch.

Es stellen aus:
Brigitta Höpler, Cindy Leitner, Natalie Neumaier, Georg Oberhumer, …