“Nichts wird von Zwischenzeiten erwartet. Vielleicht deshalb retten sie, was möglich ist: Fetzen im Herbstwind, Filme, die Erinnerung.”
– Ilse Aichinger
Das Nachmittagskino wird wohl kaum zum Kontrapunkt des schrillen Mitternachtskinos der 1970er genügen. Der Nachmittag ist gewöhnlich, unspektakulär. Keine Uhrzeit für Superlative, keine, um Programme zu verwirklichen. Wenn man sich überhaupt für ihn interessiert, vielleicht gerade die “bessere Tageszeit”, wie ihn die Wiener Autorin Ilse Aichinger mit Zurückhaltung ehrt. Was wird er bringen? Wenig, was man nicht schon kennt und eventuell weniger, als man erwarten würde.
Nachmittagskino. Nach Ilse Aichinger ist entstanden aus der Beschäftigung mit Filmen, die Ilse Aichinger in ihren Standard-Glossen erwähnt und will doch kein Best of oder Most important-Programm produzieren. Ilse Aichinger enthüllte mit ihrer wöchentlichen Tätigkeit für die Wiener Tageszeitung Der Standard einem breiten Publikum ihre enorme Begeisterung für Film und Kino, deren Anfänge bis in die Vorkriegszeit reichen. Der Film und das Kino als Orte des Verschwindens werden dabei stets zusammengedacht. Daher ist es möglich, dass durch die Glossen eine Topographie der Wiener Kinos aufscheint, die aber nicht den gegenwärtigen Stand einfängt, sondern die Veränderung dieser “Kinolandschaft”, den Gassen zwischen den Kinos und ihr Verschwinden, verzeichnet. Film wird nicht nur durch den Bezug auf die Kinos in der “Welt” verankert, sondern auch durch die Zuwendung zur eigenen Biographie und der von Schauspielern: den Wegen zum Film. Dadurch ergeben sich eine eigenwillige Auswahl und überraschende Zusammenhänge, die eine bloß cineastische Perspektive auf Film kreuzen und als Dokumente einer (fast hundertjährigen) Leidenschaft für Kino und Film gesehen werden können. In den Glossen, die keinen Mustern der Filmkritik zu folgen scheinen, klingt an, was es heißen könnte, mit und für Filme zu leben, Kinogänger*in zu sein.
Das Ilse-Aichinger-Haus sucht mit Nachmittagskino. Nach Ilse Aichinger jenes unauflösliche, leidenschaftliche oder anarchische Moment in Ilse Aichingers Kinogehen und Schreiben. Nachmittagskino will nicht Programm machen und ist doch kein ikonoklastisches Anti-Programm, allenfalls der Versuch das Unumgängliche nicht zu akzeptieren. Gesucht wird die Weite, die doch nicht zufällig ist, die schüchterne Berührung des Beliebigen und die Freiheit Zusammenhänge zu bilden oder fort zu bleiben. Die Flüchtigkeit von Lichtern auf Leinwänden. Ergo Ilse Aichinger am Nachmittag.
Die Vorführung zweier Filme an einem Nachmittag zielt demnach nicht auf die Rekonstruktion von Bezügen, dazugehörigen Textstellen oder Aichingers Intentionen. Die Filme sind trotz Allem und Aichinger auch immer Filme – und als solche ragen sie aus den um sie verfassten Glossen. Das Nachmittagskino. Nach Ilse Aichinger will in diesem Sinne die Filme in ihrer Unabhängigkeit sich als Filme zusammen (wieder) entdecken lassen und sie miteinander ins Gespräch setzen: Unterhaltung.
Die Filmschau Nachmittagskino. Nach Ilse Aichinger wurde in Kooperation mit dem Österreichischen Filmmuseum realisiert.
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